In Steinbach wird die Kunst gepflegt

31. August 2020 : Nach 1945 wurden öffentliche Gebäude mit „Kunst am Bau“ verschönert. Diese Kunstwerke sind durch Sanierung oder Abriss der Gebäude oft bedroht. Ganz anders verhält es sich mit dem Freizeit- und Tourismuszentrum in Steinbach am Wald.

Nach 1945 wurden öffentliche Gebäude mit „Kunst am Bau“ verschönert. Diese Kunstwerke sind durch Sanierung oder Abriss der Gebäude oft bedroht. Ganz anders verhält es sich mit dem Freizeit- und Tourismuszentrum in Steinbach am Wald.


Die Wasserscheide symbolisiert der Brunnen von Alfred Russ. Im Bild Bürgermeister Thomas Löffler (Mitte) mit den Kreisheimatpflegern Robert Wachter (links) und Siegfried Scheidig.


Keramikwand von Eveline-Maria Schnauder im Glasbistro


Judith Franke hat mehrere Holzskulpturen für das FTZ geschaffen.

Fotos: Heike Schülein

Heike Schülein

Steinbach/Wald — Das Freizeit- und Tourismuszentrum (FTZ) war in den 1970er-Jahren errichtet worden, um den Tourismus in der Rennsteig-Gemeinde zu forcieren. Nach einer langen Zeit der Planung erfuhr das Leuchtturmprojekt im Rahmen einer rund fünfjährigen Bauphase eine Generalsanierung, Erweiterung und Attraktivierung. Entstanden ist ein wunderbar gelungenes Alleinstellungsmerkmal für den Landkreis Kronach, das seinesgleichen sucht. Hervorzuheben ist insbesondere auch das vorbildliche Engagement zur Erhaltung von „Kunst am Bau“ – und mehr noch, wurde die Attraktion doch sogar um zeitgenössische Kunstwerke ergänzt.
„Alte Kunst am Bau gemeinsam mit neuer. Das ist wirklich außergewöhnlich“, würdigte Kreisheimatpfleger Robert Wachter, als er sich mit seinem Amtskollegen Siegfried Scheidig sowie Steinbachs Bürgermeister Thomas Löffler bei einer Begehung ein Bild von den sich so harmonisch in das Gesamtensemble einfügenden Kunstwerken machte. Dabei wird der Besucher bereits im Außenbereich vor dem Gebäude von einem tiefblauen Brunnen „begrüßt“.
Geschaffen wurde die charakteristische Brunnen-Anlage 1976 von Alfred Russ. Der 1915 in Böhmen geborene Künstler lebte seit dem Zweiten Weltkrieg bis zu seinem Tod 1996 in Bayreuth. Hier wirkte er als freischaffender Maler und Bildhauer, der mit seinen Werken zahlreiche Gebäude in Oberfranken und auch im Landkreis Kronach verschönerte. „Der Brunnen steht als Symbol der Kreuzung der Wasserscheide“, erläuterte Wachter. Die drei Fische sind in Bronze auf zwei Bronzesockeln befestigt. Das Becken hat die Form zweier ineinander geschobener Rechtecke aus Beton.
Werke des Künstlers findet/fand man beispielsweise im Landkreis noch in der Volksschule Ludwigsstadt (Brunnenanlage von 1971, Wandrelief von 1976), Mehrzweckhalle Ebersdorf bei Ludwigsstadt (Wandrelief), Volksschule Teuschnitz (Wandrelief/Brunnenanlage von 1975), Volksschule Wallenfels (Brunnenanlage/Wappentafeln von 1971) und am Wallenfelser Kulturzentrum (Wandrelief von 1976). Ein Kunstwerk der Superlative waren seine dynamisch-bunten „Farbwege“ am „Mississippidampfer“ in Kronach – die größte jemals geschaffene „Kunst am Bau“ im Landkreis, woran heute leider nichts mehr erinnert.

Raffiniertes Wandbild
Ein sehr interessantes Kunstwerkt im FTZ stellt die Fliesenwand im Glasbistro beim Aufgang zum Obergeschoss dar. Versehen ist das raffinierte Wandbild mit den Initialen „ems“ der bekannten Töpfermeisterin und Malerin Eveline-Maria Schnauder (1933 – 2013). In 81 in verschiedenen Brauntönen gehaltenen Quadraten thematisiert diese die Orte am Rennsteig mit ihren Gotteshäusern bzw. die Burg Lauenstein. Das Charakteristische der Region spiegeln unter anderem Wanderer, Skifahrer, eine Eisenbahn und Holztransporter sowie Glasflaschen wieder. Zudem enthält die Keramik viele Naturelemente wie unterschiedliche Bäume und Waldtiere.
Geht man die Treppe rechts neben der Keramikwand nach oben, so ist in der sehenswerten Tourismusausstellung im oberen Stockwerk unter anderem das Bleiglasbild „Köhlerei im Frankenwald“ zu bewundern. Es handelt sich um eines von vier mundgeblasenen Antik- und Antiküberfanggläsern, die viele Jahre den Eingangsbereich der alten Kehlbacher Schule schmückten. Zwei von ihnen mit den Themen Glasindustrie/Glasbläser sowie Schulalltag zieren nunmehr den Gemeinschaftsraum des neuen Dorfhauses in Kehlbach. Das vierte Fenster greift das Thema „Religion – Madonna und Kirche“ auf. Bei diesem – ebenfalls schon restaurierten – Fenster, das wohl auf die Kehlbacher Marienkirche deutet, ist die Verwendung aktuell noch unklar.
Geschaffen wurden die Fenster vom 1920 in Staffelstein geborenen und 2013 verstorbenen Künstler Hubert Weber, bekannt als „Künstler ohne Hände“, da er im Krieg beide Arme verloren hatte. Der Chirurg Prof. Ferdinand Sauerbruch operierte ihn und gab ihm neue Bewegungsmöglichkeiten zurück mit für ihn eigens entwickelten Handprothesen, mit denen er alle seine in ganz Deutschland zu findenden Kunstwerke fertigte.

„Alte“ trifft „neue“ Kunst
Im Foyer des FTZ fällt der Blick sofort auf einen großen, vom Stifter und Ehrenbürger Joachim Wiegand beauftragten filigranen Glasstern. Eindrucksvoll dokumentiert das strahlenförmig in alle Richtungen weisende Gebilde die Verbindung zur heimischen Glasindustrie. Gefertigt wurde die illuminierbare Installation 2017 von der renommierten Glaskünstlerin Susan Liebold, deren Werke weit über die Grenzen Thüringens und Deutschlands hinaus große Beachtung finden. Susan Liebold, 1977 in Neuhaus am Rennweg geboren, studierte an der Kunsthochschule Burg Giebichenstein in Halle/Saale. Sie lebt und arbeitet in einem alten Gaswerk im Sonneberger Ortsteil Hasenthal-Schneidemühle, das ihr als Atelier, Wohnhaus und Café dient. Eine ihrer Installationen hängt im Ozeaneum in Stralsund: ein zwei Meter langes Biologiemodell der Staatsqualle Nanomia Cara, zusammengesetzt aus etwa 2600 Einzelteilen.
Rechts vor dem Glaskunstwerk steht das von Judith Franke geschaffene „Mädchen in Grün“. Die mit Glaselementen versehene, lebensgroße Holzskulptur wurde durch den Verwaltungsratsvorsitzenden der Sparkasse Kulmbach-Kronach, Landrat Klaus Löffler, zur Eröffnung des FTZ am 25. September 2019 als Geschenk überreicht. Charakteristisch für die Holzbildhauerin sind insbesondere ihre schlanken, filigranen, sehr aufrechten Frauenfiguren, von denen sich zwei weitere ebenfalls im Foyer finden. Ihr großes Markenzeichen ist das Zusammenspiel mit feinem Geflecht; hat sie doch auch einen Gesellenbrief als Flechtwerkgestalterin.

Ein spannender Mix
Gleich mit vier Kunstwerken vertreten ist Judith Franke auch auf dem in Sichtweite zum FTZ befindlichen neuen Kunstpark mit künstlerisch gestalteten Baumstümpfen vor der evangelischen Kirche. Ab Mai dieses Jahres rückten die Künstlerin, Michael Seigerwald aus Steinach in Baden-Württemberg sowie Walter Busch aus Selbitz dort Fichtenstämmen mit schwerem Gerät zu Leibe.
Unter der Regie von Ingo Cesaro entstand dabei ein spannender bunter Mix an Stilen und Techniken, die trotz aller Unterschiedlichkeit doch harmonisch zusammenfinden. Steinbach am Wald verfügt damit über ein weiteres Alleinstellungsmerkmal, das demnächst seine offizielle Einweihung erfahren wird.
Nachdem die Gemeinde stark industriell geprägt sei, möchte man, so Bürgermeister Thomas Löffler, Kunst und Kultur mehr in den Fokus rücken. Für das vorbildliche Engagement der Gemeinde zur Erhaltung bzw. Schaffung von Kunst zeigten sich die beiden Kreisheimatpfleger sehr dankbar.

aus "Fränkischer Tag" vom 31.08.2020