Schleifen, sägen, schnitzen: Die Holzbildhauerei ist oftmals ein Schaffensprozess, der hinter geschlossener Tür stattfindet. Nicht so in Steinbach am Wald, wo die künstlerische Gestaltung von 19 Baumstümpfen an der Rennsteigstraße nach und nach Form annimmt. Unweit des B 85-Kreisels verläuft der Rennsteigwanderweg in Sichtweite des neu geschaffenen Freizeit- und Tourismuszentrums (FTZ). Vor dem Gotteshaus fiel hier im vergangenen Sommer ein kleines Fichtenwäldchen der Gemeinde dem Borkenkäfer zum Opfer. Auf Anregung von Förster Martin Körlin vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Kulmbach wurden die Baumstümpfe für die weitere Konzeption gerettet. Jeder befallene Baum wurde hierfür in rund vier Metern Höhe gekappt, entrindet sowie oben schräg nachgeschnitten, um ein Schutzdach gegen Schnee und Regen anbringen zu können.
Auf Vermittlung und unter Organisation von Ingo Cesaro werden die Stammanläufe von den drei Holzbildhauern Michael Steigerwald aus Steinach in Baden-Württemberg, Walter Busch aus Selbitz sowie der Wurzbacher Künstlerin Judith Franke zu Skulpturen verarbeitet. Die höchst unterschiedlichen Motive waren vor rund zwei Wochen vom Ausschuss für Tourismus, Partnerschaft und Kultur des Gemeinderats ausgewählt worden. Die Kunstwerke werden "durchgemischt", wodurch sich ein höchst interessanter und abwechslungsreicher Querschnitt zeitgenössischer Holzbildhauerei ergibt.
Noch am Tag der Motivauswahl hatte sich Michael Steigerwald an die Arbeit begeben. Neben seiner zauberhaften Wünsche-Erfüllerin, der "Blauen Fee", schuf er dabei bislang auch noch die freche Pinocchio-Figur, an der sicherlich niemand ohne ein Schmunzeln vorbeikommt. Die Geschichte des Holz-Jungen mit der auffallenden Nase wird gleichzeitig im auf dem FTZ-Außengelände entstehenden Kohlenmeiler aufgegriffen, wo Kinder dem Märchen lauschen können. "Wir wollten bewusst eine solche Verbindung schaffen", erzählt der Bürgermeister, der sich bei der Motivauswahl offen für ganz neue Ansätze zeigte. Zugleich war es ihm aber auch wichtig, dass einige Arbeiten die Umgebung und Vergangenheit der Gemeinde widerspiegeln. Als regionaltypische Elemente fließen daher Materialien wie Glas und Schiefer mit ein - und auch die ehemalige Grenze wird thematisiert. Hierfür kann beispielsweise das von Walter Busch geschaffene Kettenmotiv symbolhaft stehen. Darüber hinaus wird auch noch eine Skulptur angefertigt mit drei Figuren und einem diese zunächst eng umschließenden Stacheldraht, der später in ein florales Motiv übergeht. Wer von den drei Künstlern diese Skulptur sägt, steht derzeit noch nicht fest.
Busch kommt mit seinen Arbeiten, die er nach Pfingsten fortsetzen wird, gut voran, obwohl es sich bei Fichte nicht um klassisches Schnittholz wie etwa Linde handelt. "Die Fichte hat einen ganz eigenen Charakter, auf den man eingehen muss. Sie ist sehr weich und faserig. Es ist ein anderes Arbeiten; Feinheiten sind hier nicht einfach", erklärt der Holzbildhauer.
Auf Idee von Cesaro werden einzelne Elemente oder komplette Skulpturen noch mit Reflektoren ausgestattet beziehungsweise mit Leuchtfarbe bemalt und so in Szene gesetzt. Hierzu zählt auch das geschaffene Kreuz, das dadurch gerade auch nachts - beim Einfahren des Kreisels im Scheinwerferlicht - sicherlich einen außergewöhnlichen Anblick bieten wird. Ebenso wie der Bürgermeister zeigt auch er sich voller Vorfreude auf den Kunstpark, der ein weiteres Leuchtturmprojekt der Gemeinde darstellen wird. Nach Busch wird die seit Kurzem in Nordhalben beheimatete Judith Franke unter anderem auch verschiedene Tierfiguren aus Holz modellieren und dazwischen Michael Steigerwald seine Arbeiten vollenden. Das Kunstprojekt soll voraussichtlich Ende Juni abgeschlossen sein.
Mit einem kleinen Augenzwinkern freute sich Thomas Löffler, dass Cesaros HolzART dieses Jahr doch noch, zumindest im Kleinen, nunmehr in Steinbach stattfindet. Wobei das Wort klein, wie Cesaro relativierte, eigentlich gar nicht zutrifft: "Die größte HolzART war bislang mit 15 Stämmen. In Steinbach sind es jetzt sogar 19!"
aus "Neue Presse" vom 02.06.2020