Der Stoff, aus dem (noch) Träume sind

18. März 2022 : Grüner Wasserstoff kann der Welt den Weg in eine klimaneutrale Wirtschaft weisen. Davon ist Experte Peter Wasserscheid fest überzeugt. Doch vieles ist noch Zukunftsmusik.

Der Stoff, aus dem (noch) Träume sind
Grüner Wasserstoff kann der Welt den Weg in eine klimaneutrale Wirtschaft weisen. Davon ist Experte Peter Wasserscheid fest überzeugt. Doch vieles ist noch Zukunftsmusik. 

Christian Kreuzer
 
STEINBACH AM WALD. Einen Ausweg aus der momentanen Energiekrise kann sie nicht weisen. Mittel- und langfristig allerdings kann die Wasserstofftechnologie den Unternehmen am fränkischen Rennsteig durchaus helfen – und zwar als Speichermedium für idealerweise regenerativ erzeugte Energie. Davon ist Peter Wasserscheid überzeugt. Der Professor für Chemische Reaktionstechnik an der Universität Erlangen-Nürnberg leitet seit 2014 das in Mittelfranken ansässige Helmholtz-Institut für Erneuerbare Energie. Am Mittwoch sprach er auf Einladung der IHK in Steinbach am Wald über die Chancen der Technologie für energieintensive Unternehmen.

Der größte Vorteil von Wasserstoff: Er kann theoretisch – wie heute Öl und Benzin – als Energieträger durch Leitungen transportiert, in Tanks gelagert oder im Lastwagen von A nach B gebracht werden. Klimaschädliches Kohlendioxid produziert er nicht – immer vorausgesetzt, er wird mithilfe regenerativ gewonnenen Stroms erzeugt.

Womit man bei den Nachteilen wäre. Denn um Wasserstoff herzustellen, braucht man Strom. Die Glashütten am Rennsteig würden also erst einmal gar keine Energiekosten sparen, wenn sie auf Wasserstoff setzen. Es sei denn, sie würden selbst Strom produzieren, beispielsweise über Photovoltaik oder Windkraft. Da auch dies nicht ohne teure Investitionen möglich wäre, „muss man Kosten und Nutzen genau abwägen“, betonte Wasserscheid. Tendenziell aber „wird die Wirtschaftlichkeit von grünem Wasserstoff in der Zukunft immer besser werden“, ist der Experte überzeugt. Denn Sonnen- und Windenergie seien unbegrenzt verfügbar. Fossile Energieträger seien nur begrenzt vorhanden. Tendenziell im Vorteil sei, wer eigene grüne Energiequellen betreibe und dadurch wenig Leitungskosten zahlen müsse. Hier könne frühzeitig geprüft werden, ob ein Elektrolyseur zur eigenständigen Gewinnung von Wasserstoff sinnvoll sei.

Technisch sei man bereits jetzt in der Lage, mit Wasserstoff als Energieträger zu arbeiten. Was fehle, sei eine leistungsfähige Infrastruktur für die Speicherung und den Transport. Wie wichtig eine solche ist, machte Wasserscheid anhand eines Beispiels deutlich. In den Weiten Kanadas lasse sich ein Kilogramm Wasserstoff für 1,50 Euro herstellen. Damit könnte ein Wasserstoff-Auto wie der Toyota Mirai 100 Kilometer weit fahren. Doch wenn dieser Toyota nicht zufällig auch in den Weiten Kanadas unterwegs sei, „wird das Kilogramm natürlich deutlich teurer“. Dies ändere sich erst, wenn die Infrastruktur ausgebaut sei.

Ansätze hierfür gebe es bereits. So werde geprüft, ob bestehende Erdgas-Pipelines für den Transport von Wasserstoff umgerüstet werden können. Ähnliche Ansätze gebe es für das Tankstellennetz. In den nächsten 15 bis 20 Jahren werde sich hier gewaltig etwas entwickeln. Einerseits wegen des Klimawandels, andererseits um sich unabhängiger von Energielieferungen aus dem Ausland zu machen.

Eine wichtige Million
„Noch ist nicht absehbar, wie und ob in ausreichender Menge Wasserstoff nach Bayern beziehungsweise in die Rennsteigregion kommen soll“, erklärte auch Hans Rebhan, Vorsitzender des Industrie- und Handelsgremiums Kronach. Doch man müsse sich auf den Weg machen – und tue dies in der Region bereits. Rebhan nannte beispielhaft die Wasserstoffregion Wunsiedel und das Wasserstoffprojekt Hy-Starter im Landkreis Kulmbach. Nun sei man auch im Frankenwald bereit, einen Schritt nach vorn zu machen. „Mit dem Zuschlag der bayerischen Staatsregierung von einer Million Euro auf Initiative des Kronacher Landtagsabgeordneten Jürgen Baumgärtner soll die Realisierung eines Wind- und Wasserstoffparks am Rennsteig erforscht werden“, so Rebhan.

Doch um überhaupt in der Lage zu sein, perspektivische Fragen der Energieversorgung zu klären, müsse man die derzeitige Kostenexplosion beim Strom in den Griff kriegen. „Es gilt jetzt, sehr bald zu handeln, sonst ist es für immer mehr Unternehmen und Arbeitsplätze zu spät“, erklärte der IHK-Vizepräsident. Es brauche einen staatlichen Schutzschirm, ähnlich, wie er für die Corona-Krise eingerichtet wurde. Danach müsse zügig ein Konzept zur Transformation der energieintensiven Glasindustrie zu klimaneutral wirtschaftenden Unternehmen erstellt werden. Rebhan: „Hier haben wir gute Voraussetzungen am Rennsteig und in Oberfranken generell.“

aus "Neue Presse Ausgabe Kronach" vom 18.03.2022